Dr. med. Peter Kempny (1862 – 1906)
Erster Gemeindearzt Gutensteins, Zoologe, Komponist


Peter Kempny wird am 5. Februar 1862 als Sohn des k. u. k. Hofposamentierers, Peter Paul Kempny, und dessen Frau, Theresia Schuster, in Wien geboren. Er genießt ebenso wie seine Geschwister Anton und Therese dank der außergewöhnlichen Musikalität der Eltern – der Vater spielt hervorragend Violoncello und komponiert Salonmusik, die Mutter ist eine bemerkenswerte Violinistin – schon sehr früh eine profunde musikalische Ausbildung. Wie früh sich Peter Kempny dem Komponieren zuwendet, ist nicht bekannt, jedoch stammen die ersten erhaltenen Kompositionen aus seinem 10. Lebensjahr. 

Nach der Volksschule tritt Peter Kempny in das Mariahilfer Gymnasium ein. Diese Schule war damals nicht irgend ein humanistisches Gymnasium, sondern in aller Munde: Die Institution war nämlich nach einigen Jahren ihres Bestehens in ein neues Gebäude oder, besser gesagt, in ein für den Schulbetrieb von Oberingenieur Georg Haussmann funktional großzügig adaptiertes historisches Gebäude – das ehemalige Palais Kaunitz-Esterházy – umgezogen, das als so exemplarisch angesehen wurde, dass es mit Plänen, Dokumenten und spektakulären Sammlungsbeständen auf der Wiener Weltausstellung 1873 präsentiert wurde, jener Schau der Superlative, die sieben Millionen Besucher anlocken sollte …
Aber nicht nur der Genius loci des ehemaligen Adelspalastes sondern auch besondere Lehrer sowie modernste Lehrmittel und Sammlungen bewirkten den Zustrom von Schülern: Abgesehen von einer Reihe hervorragender Altphilologen und Historiker – es gab zu Kempnys Schulzeit an diesem Institut allein neun Lateinprofessoren, fünf Griechischprofessoren und vier Geschichtsprofessoren – lag bereits seit Gründung des Gymnasiums ein Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften. 
Diese besondere Orientierung war dem ersten Direktor der Schule, Dr. med. Benedikt Kopezky (1815 – 1872), zuzuschreiben, der nicht nur in den naturgeschichtlichen Fächern an seinem Haus sondern auch an der Universität Graz und der Universität Wien als Dozent lehrte. Als Mediziner und Zoologe hatte er zahlreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und legte mit großem Ehrgeiz eine prominente anthropologische und zoologische Lehrsammlung des Gymnasiums an, deren Präparate und Schauobjekte in Vielfalt und Qualität vergleichbaren universitären Sammlungen in keiner Weise nachstanden. So nahm Peter Kempny schon frühzeitig in der humanistischen Atmosphäre dieses Gymnasiums viele Anregungen und Impulse auf, die für seinen späteren Lebensweg richtungweisend werden sollten.

In den ersten vier Gymnasialjahren komponiert Peter Kempny eine Reihe von Kammermusik – vorwiegend Lieder und Stücke für Soloklavier. Ab 1875 begeistert sich der 13-Jährige zunehmend für die Musik Richard Wagners. Als sich Richard Wagner im Spätherbst 1875 und wieder im Frühling 1876 in Wien aufhält und in dieser Zeit in der Hofoper aber auch einige Abende im Wiener Musikverein Konzerte dirigiert, versäumt Peter Kempny keines. Fasziniert von der Musik und Aura Wagners eröffnete er seinem Vater, dass er sich nunmehr ausschließlich der Musik Wagners zuwenden werde, was zu einer heftigen fachlichen Kontroverse führt, in deren Folge sein Vater ihm dies untersagt. Hierauf greift Peter Kempny zu einer unorthodoxen Maßnahme, indem er von diesem Tag an aus Protest im Gymnasium bei Schularbeiten keine Zeile mehr schreibt und bei mündlichen Prüfungen kein Wort mehr antwortet, sodass er in der 5. Klasse von der ratlosen Professorenschaft in allen Fächern mit "Nicht genügend" klassifiziert und versetzt werden muss. Schließlich resignierte sein Vater und gestattete dem Sohn das Studium der Musik Richard Wagners. Danach wendet sich Peter Kempny wieder verstärkt dem Komponieren zu. Aus dieser Zeit stammt u. a. eine bemerkenswerte Klaviersonate in Es – Dur, AV 37 des 16-Jährigen, die er in fünf Tagen komponiert. 1880 vollendet Peter Kempny seine Studien am Mariahilfer Gymnasium mit Auszeichnung. 

Trotz seiner hohen pianistischen Begabung sowie eines schon früh entwickelten Hanges zur Naturwissenschaft entschließt er sich – mit 18 Jahren bereits Vollwaise – zum Medizinstudium. Dies mindert seine Faszination für Musik in keiner Weise. So komponiert Peter Kempny in dieser Zeit viel, beispielsweise einen Marsch für großes Orchester, AV 61, im Winter 1882/83 – während des Anatomiestudiums – das Trio für Klavier, Violine und Violoncello in a-Moll, AV 67 und einen Konzertwalzer für großes Orchester in D – Dur,
 AV 68. Andererseits publiziert er auf dem Sektor der Insektenforschung bereits in den ersten Jahren seines Medizinstudiums in der Fachwelt sehr beachtete wissenschaftliche Erkenntnisse, eine Disziplin, die er bis zu seinem Tod mit einer Reihe wissenschaftlicher Arbeiten bereichern sollte. 
Kurz danach lernt er die junge Anna Berger und zwei ihrer drei Schwestern kennen. Diese Begegnung inspiriert Peter Kempny zu einigen Liedkompositionen für Anna (z.B. "Vorbei! Vorbei!", AV 74). Auf seine wiederholte Frage nach der vierten(!) Schwester bekommt er stets die ausweichende Antwort, dass diese langweilig und ein "Blaustrumpf" – die damalige abschätzige Bezeichnung für intellektuelle Frauen – wäre. Dies steigert Peter Kempnys Neugierde, und als er endlich der unbekannten interessanten Valentine Berger begegnet, die nicht nur seine musikalischen sondern auch seine wissenschaftlichen Interessen teilt, weiß er, dass sie sein Schicksal wird. Bereits im Dezember 1884 vertont er für sie Rudolf Baumbachs Gedicht  „Horch auf, du träumender Tannenforst“, AV 88.

    Am 15. Mai 1886 wird er an der Universität Wien Sub auspiciis Imperatoris zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert. Bald danach verlobt er sich mit Valentine Berger. Nach kurzer Praxis im Wiedener Krankenhaus erwirbt Dr. Kempny ein Haus in Gutenstein (Markt Nr. 61), wo er am 2. Dezember 1887 die Stelle des ersten Gemeindearztes antritt. 

Am 6. Februar 1888 heiratet er Valentine Berger. 1889 erwirbt er von Rinaldo Brunetti das seinem Haus schräg gegenüberliegende Grundstück mit hölzernem Badhaus, das er demolieren lässt. Er beauftragt Architekt k. k. Baurat Julius Deininger mit der Planung und Errichtung einer Badeanstalt (das heutige Gemeindebad) aus eigenen Mitteln, das den Erfordernissen eines zeitgemäßen Kurbetriebes entsprechen soll. Der bemerkenswerte Bau in Pavillonform mit seinem Mansardendach und den niedrigen Seitenflügeln wird zu einem neuen markanten Punkt des Ortes. Um den für die Heizanlage erforderlichen Rauchfang an der Hinterwand des Baukörpers optisch von Fabrikschloten zu unterscheiden, ummantelt der Architekt diesen quadratisch. Dr. Kempny richtet einen vielfältigen Kurbetrieb ein, eine Attraktion die zahlreiche Gäste aus Wien nach Gutenstein lockt. In der Folge entstehen so mehrere Villenbauten begüterter Wiener Familien, die das Ortsbild neu prägen. 
So wie Kempnys Interesse an der Zoologie bereits im Gymnasialalter – wie oben erwähnt – geweckt wurde, dürfte die Idee zur Errichtung eines Kurbades ebenfalls in seiner Kindheit ihren Ursprung gehabt haben: Kempnys Eltern besaßen nämlich u. a. in Mödling, wo sie mehrere Sommer verbrachten, ein Gebäude, das alte Eisen-Mineralbad (!), welches bereits Beethoven zu Kuraufenthalten aufgesucht hatte, was den Knaben als Ort der Behandlung verschiedener Leiden nachhaltig beeindruckt haben dürfte. 

1889 wird auch die erste Tochter des Ehepaares Kempny – nach ihrer Mutter ebenfalls Valentine (Lenzi) genannt – geboren. 1890 kommt Peter jun. zur Welt, der im 5. Lebensjahr an Diphterie erkrankt und trotz größter Bemühungen seines verzweifelten Vaters der Krankheit erliegt. Ein Jahr danach wird Tochter Hedwig (Hedy) geboren, 1897 gefolgt vom jüngsten Sohn Otto.

Schnell gelangt Kempny bei Bevölkerung und Feriengästen durch seine medizinischen Erfolge zu hohem Ansehen. So manche Zeichen der Dankbarkeit – etwa ein Damenportrait des jungen Malers Franz Kuderna als „Honorar“ – aber auch eine Karikatur des Malers Otto Peters, die Dr. Kempny mit sechs, mit Tennisracket, Klavierspiel, Zeichnen, Klistierspritze, Schmetterlingsnetz und Schachspiel „beschäftigten“ Armen zeigt – zeugen von Kempnys Beliebtheit.

Vorzüglich versteht er es, den geselligen Verkehr der Sommergäste untereinander und mit der Ortsbevölkerung zu fördern. Konversationsabende, Tennis- und Schachturniere sorgen im aufblühenden Gesellschaftsleben für so manche Sensation. Die schwierigsten Schachpartien trägt Dr. Kempny laut erhaltener Aufzeichnungen mit L. Schmidt und F. Schnell aus. 
Dank Kempnys außergewöhnlichen pianistischen Talents ist er oft Mittelpunkt musikalischer Abende. Er begeistert dabei seine Zuhörer für die Klassiker und älteren Romantiker, bringt ihnen Richard Wagner nahe und beschäftigt sich intensiv mit dem Werk Johannes Brahms' und Anton Bruckners. Auch pflegt er den Kontakt zum Leiter des Wiener Männergesangsvereins, welcher in Kempnys Zeiten mehrfach in Gutenstein Konzerte gibt. Zum Komponieren bleibt ihm – soweit man aus den nun vorliegenden Werken schließen kann – wegen seiner extremen beruflichen Auslastung nur mehr wenig Zeit. Immerhin entstehen in Gutenstein Lieder, Chorkompositionen, ein weiteres Klaviertrio, AV 105,  Sakralmusik und u.a. eine Symphonie in c-Moll („Gutensteiner Symphonie“), AV 109.Wie erwähnt zollt man Dr. Kempny neben seinen musikalischen Darbietungen in Gutenstein große Achtung für sein meisterhaftes Tennisspiel und sein großes Schachtalent. Bleiben diese Tätigkeiten Gegenstand regionaler Bewunderung, so erntet er auf dem Gebiet der Insektenforschung – zunächst für sein Studium der Lepidopteren Niederösterreichs und der Steiermark, in weiterer Folge speziell der Neuropteren, die er beobachtet, analysiert und schließlich züchtet – von der Fachwelt Bewunderung und Lob. Bald erstrecken sich seine Forschungen auch auf Regionen Südtirols, Rumäniens, Norwegens, des Orients und der Marschall Inseln, für die er zunehmend hohes internationales Ansehen erringt.

Hedy Kempny

Eine Reihe von Dr. Kempnys wissenschaftlichen Arbeiten wird von der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien veröffentlicht. Daraus resultieren Kontakte mit Forschern in der ganzen Welt. Für diese Leidenschaft scheut er keine Mühe: Um z. B. mit dem Polarforscher, Zoologen und späteren Nobelpreisträger Fridtjof Nansen korrespondieren und anhand postalisch (!) übermittelter seltener Exemplare von Insekten Forschungsergebnisse austauschen zu können, studiert er Norwegisch ...

1893 konstituiert sich in der Region ein Bezirks-Armenrat mit Sitz in Gutenstein, in den alle zugehörigen Gemeinden angesehene Persönlichkeiten als Mitglieder entsenden. Als Mitglieder Gutensteins fungieren Notar Josef Trebesiner, Dr. Peter Kempny, Oberlehrer Moritz Steiner und der spätere Bürgermeister Johann Rauckenberger. Mit Fertigstellung des Armenhaus-Gebäudes 1899 wird Dr. Kempny in seiner Eigenschaft als Gemeindearzt auch mit der ärztlichen Betreuung der Belegschaft des Heimes betraut. 

1905 erkrankt Dr. Kempny an einem schweren Herzleiden. Seinen Abschied von der Musik nimmt er am Klavier mit Tristan. Am 20. Mai 1906 stirbt er im Alter von 44 Jahren. Von Spanien bis Rumänien würdigen Universitäten und Zoologische Gesellschaften in Nachrufen und Sonderpublikationen die Verdienste des Forschers Kempny, nach dem eine beachtliche Zahl von Insektenarten, die er entdeckte und beschrieb, benannt sind. 
Die Gemeinde Gutenstein widmet dem hochgeschätzten Arzt ein Ehrengrab.


    Heinz Peter Adamek

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